Hintergrund

Bedeutung forstlicher Generessourcen

Biodiversität wird als Zusammenspiel von Lebensraumvielfalt, Artenvielfalt und genetischer Vielfalt verstanden. Die genetische Vielfalt meint die intraspezifische genetische Variation, die es den Arten ermöglicht, sich an Umweltveränderungen anzupassen. Deshalb ist die genetische Vielfalt ein wesentlicher Faktor für die Erhaltung der Artenvielfalt und damit auch für die Stabilität des Lebensraumes Wald. Den einheimischen Baumarten als Gerüstarten unserer Waldökosysteme kommt dabei höchste Bedeutung zu. Sie bilden die Basis der Waldbiodiversitäts-Pyramide und tragen massgeblich zur nachhaltigen Sicherung von Waldleistungen bei. Die genetische Vielfalt der Waldbaumarten wird als „forstliche Genressourcen“ bezeichnet (forest genetic resources, FGR).

FGR in der Schweiz

Das Alpenland Schweiz ist für die Erhaltung forstlicher Genressourcen von Bedeutung. In der subalpinen Stufe kommen Arten des borealen Nadelwaldes vor, die von ihrer eurasischen Gesamtpopulation isoliert sind. Zudem kommen hier einige für Mitteleuropa besondere Standortfaktorkombinationen vor. Dies, sowie die topographisch bedingte räumliche Isolation in Talschaften, fördern die Differenzierung und damit die Bildung genetischer Variation (Ökotypen). Damit trägt die Schweiz für etliche Arten und forstliche Genressourcen eine besondere Verantwortung.

Angeregt durch die frühere schweizerische Arbeitsgruppe Genreservate war hier die Idee der Ausscheidung von Erhaltungsgebieten für forstliche Genressourcen schon zu Beginn der 1990er-Jahre lanciert worden. Im Rahmen eines Umsetzungsprojektes wurden dann 1995-2003 vier Generhaltungsgebiete vertraglich gesichert (BGI WSL/BAFU). Danach wurden das Umsetzungsprojekt und die weitere Ausscheidung von Generhaltungsgebieten sistiert.

In Zusammenhang mit der Entwicklung von Anpassungsstrategien an den Klimawandel und in Anlehnung an internationale Entwicklungen bei der Erhaltung forstlicher Genressourcen wurde Ende 2013 das Projekt Generhaltungsgebiete Schweiz (ETHZ/BAFU) neu lanciert.


Neue Ansätze bei der Generhaltung

Hinter genetischer Vielfalt und Selbsterhaltung der Arten stehen Prozesse von grosser Komplexität. Der einst angestrebten, allerdings nicht realisierbaren völligen Vermeidung von genetisch wirksamen Fremdeinflüssen wird heute weniger Bedeutung beigemessen und der Fokus liegt auf einer dynamischen Generhaltung. Das heutige, bessere Verständnis der Anpassungs- und Selbsterhaltungsmechanismen von Arten ermöglicht neue Ansätze für die Erhaltung forstlicher Genressourcen:

  • Umgang mit Komplexität: Generhaltungsgebiete als Grundlage für ein grossräumiges, langfristiges Monitoring der Arten und Populationen. Über längere Zeit liefern sie wichtige Erkenntnisse über populationsbiologische Prozesse bei Umweltveränderungen
  • Verhältnismässigkeit: Grosse Gebiete werden bevorzugt, da mit zunehmender Individuenzahl und Standortsvielfalt die Pufferkapazität gegenüber Umweltveränderungen steigt. Für die Sicherung der Generhaltungsgebiete steht das Verständnis und der Konsens der Akteure bezüglich der Notwendigkeit der Erhaltung ausgewählter Zielpopulationen im Vordergrund, denn damit steigen die Chancen auf eine Verlängerung von Erstverträgen.


Ideale dynamische Generhaltungsgebiete erfüllen insbesondere drei Leistungen:

  • Generhaltung: Repräsentation des Genpools einer Kernpopulation oder einer besonderen Teilpopulation einer Zielart
  • Pufferung von Umweltveränderungen: Anpassungspotenzial aufgrund von Populationsgrösse und genetischer Diversität sowie Ausweichpotenzial aufgrund von Gebietsgrösse und standörtlicher Bandbreite (z.B. Höhe ü.M.)
  • Koordination von Monitoring, Forschung, Erhaltung: Beobachtungsnetz von Generhaltungsgebieten für jede Zielart und ggf. koordinierte Erhaltungsmassnahmen (in situ, bei Bedarf auch ex situ, z.B. assisted geneflow, assisted migration)
     

Nationales Konzept Forstliche Genressourcen und Klimawandel

Im Auftrag des Bundes (BAFU) wurde ein strategisches Konzept zum Umgang mit forstlichen Genressourcen im Hinblick auf den prognostizierten Klimawandel erarbeitet. Download Zum Konzept (PDF, 1.3 MB)